Zwei Wochen auf dem Atlantik
Nach zehn Tagen auf dem Atlantik begleiten Albatrosse die Asja. Tausend Meilen vom Land entfernt, schweben ihre Schatten über uns und stoßen gezielt ins Wasser. Fliegende Fische springen in alle Richtungen davon. Schwärme lösen sich aus dem Ozean. Schimmern weiß in der Luft.
Wir hängen an unseren Sicherungsleinen auf dem Vorschiff und schauen den Jagdszenen zu, als ich die ersten Thunfische in den Wellen entdecke. Dicht unter der Oberfläche fallen sie in die Jagd mit ein. Wir verlagern sofort unsere Angel, aber fangen leider keinen. Auch so ist es großartig, in dieser abgeschiedenen Welt zu Gast zu sein.
Inzwischen sind wir schon in der Karibik. Haben in 13 Tagen, 22 Stunden und 35 Minuten den Atlantik von Mindelo (Kapevrden) nach St. George (Grenada) bezwungen und den zweiten, größeren Teil der Überquerung geschafft. 2235 Seemeilen zu fünft allein auf dem Ozean zu segeln ist ein Abenteuer: Wird einer von uns seekrank? Können wir auf dem rollenden Schiff schlafen? Fahren wir in eine Flaute, in Starkwind? Hält der Autopilot, halten die Segel, die wir in Mindelo haben flicken lassen? Hält die Stimmung? Unterm Strich war die Tour nicht immer leicht, aber wir hätten auch noch eine Woche dranhängen können.
Was ich in dieser Zeit gelernt habe:
Competitive spirit: ON
Die Asja ist kein Racer. Vor der Atlantiküberquerung hat der Regatta-Aspekt für mich keine Rolle gespielt. Bei der ARC+ treten die Teilnehmer in zehn Kategorien gegeneinander an. Als auf dem Kapverden-Schlag die Top 3 in Cruising B in Reichweite kommen, weckt es den Kampfgeist in uns allen. Wir wollen einen guten Platz einfahren, was auch immer das bedeutet.
Auf dem großen Sprung wird es noch besser. Weil wir den schnellen Oxley Bora Parasailor eine Woche lang durchfahren, klettern wir bis auf Platz 23 von 94 in der Gesamtwertung. Je besser wir (unerwartet) abschneiden, umso mehr Spaß macht die Rallye. Alle paar Stunden checke ich unser Ranking auf der YB Races App. Vielleicht kicken wir ja noch SY Isabel aus den Top 3 in unserer Gruppe?
Tage laufen ineinander, aber wir haben einen Plan
Kurz nach unserer Abfahrt am 22. November in Mindelo erstellt Alex einen Plan mit unseren Schichten, in denen wir auf die Asja aufpassen. Die Kinder bekommen wegen der Schule eine feste Zeit für die Wache. Am Rest des Tages und in der Nacht wechseln wir Erwachsenen uns reihum im 3 Stunden-Rhythmus ab.
Auf dem Atlantik, wo die Tage ineinander fließen und wir vergessen, ob Dienstag oder Mittwoch ist, bestimmt der Plan unseren Tagesablauf. Es ist hart, wenn der Wecker um 3 Uhr für die unbeliebteste aller Nachtschichten klingelt. Aber es hilft nichts: Aufstehen, kreuzende Schiffe im Auge behalten, die Segel, den Kurs, auf dem Radar nach Squalls Ausschau halten und ausweichen…
Meistens ist nicht viel los und ich lese auf meinem Kindle. Gerade ist kein anderes Schiff in Sicht. Die Segel stehen gut und in meiner Story kämpfen Drachenreiter*innen gegen das Böse, als mich ein harter Schlag am Ohr trifft. Ich zucke ich zusammen, lenke meine Aufmerksamkeit um. Irgendwas klopft auf dem Boden. Ich schalte meine Stirnlampe an, leuchte zu den Geräuschen. Ein fliegender Fisch hat mir eine Ohrfeige verpasst und hopst ungeschickt über das Teakdeck. Mit einem Handtuch ergreife ich ihn und werfe ihn zurück ins Meer.
Fliegende Fische als ständige Begleiter
Cheilopogon melanurus sehen aus wie eine Kreuzung aus Vogel und Sardine. Überall entlang unserer Route katapultieren die Atlantischen Flugfische sich aus dem Wasser. Dank ihrer tragflächenartig verlängerten Brustflossen fliegen sie 10, 20 Meter weit über den Ozean. Und bombardieren die Schiffe. Sie landen Mitseglern auf dem Schoss, klatschen gegen das Steuerrad. Fliegen direkt in die Kombüse der SY Yggdrasil.
Schaffen sie es zurück ins Wasser, dann zeugen nur ein paar Schuppen von ihnen, die auf dem Boden oder am Bimini vor sich hin glitzern. Wenn nicht, muss man morgens die toten Fische einsammeln. “Sie bewerben sich erfolglos, auf unseren Speiseplan zu kommen”, schreibt ein ARC-Teilnehmer in den Chat. Man könnte sie natürlich essen, aber viel dran ist nicht dran an fliegenden Fischen.
Wir träumen von Thunfisch Ceviche, Sushi und Steak
…angeln aber keinen.
Die Selbstversorgung mit Fisch ist eine Herausforderung. Mit zwei Angeln und Tintenfisch-Ködern in verschiedenen Größen sind wir gut ausgestattet. Die Fische beißen auch an, das ist nicht unser Problem… aber wir bekommen weniger als die Hälfte von ihnen an Bord. Eher reißen sie mit der Beißkraft eines Hais am Haken, bis uns nur ein Stück Angelschnur übrig bleibt. Oder wir erwischen Sargasso Seegras oder kleinere Fische, die wir vom Haken nehmen und zurück ins Meer werfen.
Wir angeln doch ein paar Fische, darunter einen 2,5 Kilogramm schweren Mahi Mahi, den Louisa ausnimmt und filetiert… ein Highlight unserer Tour.
Champagne Sailing vs Wellenberge
Hat uns im November noch ein angenehmer Passatwind über den Atlantik geschoben, schlägt das Wetter am 1. Dezember um. Ein Hochdruck-Gebiet auf dem Weg zu den Azoren bringt frischen bis starken Wind aus Ost Nordost. Zum Abend hin wehen 20-24 Knoten, in Böen 30. Die Asja surft auf drei, vier Meter hohen Wellen und erreicht Geschwindigkeiten jenseits ihrer Komfortzone (maximal 16,8 Knoten) Über uns bläht sich der Oxley Bora auf wie ein gewaltiger Drache… hoffentlich hält er. Der Autopilot ächzt und klackt - hoffentlich lässt er uns nicht wieder im Stich.
Die Stimmung kippt weiter, als am 2. Dezember der World Cruising Club einen Mann über Bord meldet. Auf der VO70 Racing Yacht Ocean Breeze ist vor dem Morgengrauen ein 33-jähriger Schwede ins Meer gefallen. Bei diesen Wellenbergen, so weit vom Land entfernt, der absolute Horror. Obwohl der MOB eine Sicherheitsweste mit AIS-Signal trug, bleibt eine Suchaktion mit drei Schiffen erfolglos. In der Nacht wird die Suche abgebrochen.
Für uns, als Teilnehmer der Schwestern-Rallye, ist es unmöglich, die Tragödie einfach beiseite zu schieben. Weil das Wetter weiter anzieht, sind wir fortan nur noch mit Sicherheitsleinen unterwegs - in jedem Fall während der Nachtschicht und auf dem Vorschiff.
Uns gelingt es, die gefürchteten Squalls, in denen der Wind um mindestens 40% ansteigt, zu umfahren. Oder sie streifen uns nur am Rande. Wir nehmen den Parasailor trotzdem runter und fallen in der Wertung zurück.
Am 6. Dezember um 7:14 Ortszeit fahren wir als erstes deutsches Schiff über die Ziellinie in Grenada :-) Platz 29 in der Gesamtwertung. Wir alle haben kaum geschlafen. Nach vierzehn Tagen, eingeschlossen von Blau und Grautönen, mit einem Platzregen zum Schluss, explodieren Farben vor unseren Augen: über den bunten Häusern der Carenage von Saint George spannt sich ein Regenbogen. Das ARC + Team in seinen gelben Shirts serviert extrem starke Rum Punches und einen Geschenkkorb mit allen möglichen Spezialitäten, die man aus Muskatnüssen herstellen kann. Zur Feier des Tages ziehen sich Stella und Louisa schnell ihre Sommerkleider über. “Ihr seht nicht aus, als hättet ihr gerade den Atlantik überquert”, sagt ein Kapitän, der schon am Donnerstag angekommen ist: “Ihr seht eher aus, als kommt ihr von einer Gartenparty.”
moderner Yachthafen im Süden von Saint George
schöne Anlage mit Pool, Bars, Restaurants und Shops
sehr gute Duschen / WCs mit großen Einzelkabinen
langsamer Service im Restaurant