Lohnt sich die ARC Rallye?
Las Palmas de Gran Canaria
3. November
Marschmusik hallt durch die Straßen entlang des Hafens. Mit Pauken und Trompeten führt ein Spielmannszug unsere Parade an. Als Segler der ARC Plus 2024 laufen wir mit. Aus den Cafés und Restaurants am Straßenrand jubeln Leute uns zu. Es fühlt sich etwas merkwürdig an.
„Das ist ja fast wie beim Karneval im Rheinland“, sagen meine Eltern, die uns in Gran Canaria besuchen. Und es stimmt. Nur fahren hier keine Festwagen, von denen aus Süßigkeiten ins Publikum regnen. Hier feiern 94 Crews den Start der Rallye. Wir schwenken die Flaggen unserer Länder. Von Estland über die Cayman Inseln bis Japan sind diesmal 38 Nationen dabei.
Die Flaggen sind schwerer als sie aussehen. Stella wechselt sich mit der deutschen Fahne mit Luisa vom Schiff Supergirl ab. Unsere Louisa wirbelt am Kopf des Umzugs die Flagge des Ziellandes Grenada durch die Luft: sie ist gelb, grün und rot, dekoriert mit einer Muskatnuss.
Seit Ende Oktober herrscht Festivalstimmung in Las Palmas de Gran Canaria. Den ganzen Monat ist hier die Atlantic Rallye for Cruisers (ARC) zu Gast - ein Highlight für den Ferienort mit seiner Beton-verbauten Küste und dem goldgelben Sandstrand. Dieses Jahr startet die ARC Plus mit Zwischenstopp (Las Palmas - Mindelo, Kapverden - Grenada) am 10. November und die noch einmal größere ARC (Las Palmas - Saint Lucia) am 24. November.
1986 von Jimmy Cornell gegründet, ist sie die größte Trans-Ozean-Rallye für Amateure. Jedes Jahr überqueren hunderte Crews mit der ARC den Atlantik. 1300 Segler sind diesmal dabei. Mit unserem Crewmitglied für die nächsten Wochen, Alex, sind jetzt wir fünf davon.
Was hat uns bewegt, die Teilnahmegebühr zu zahlen (die von der Bootsgröße und Personenanzahl abhängt) und uns auf einen fixen Starttermin festzulegen, um mit der ARC über den Ozean zu segeln?
Hilfe bei der Vorbereitung: Wer wie wir bisher auf der Ost- oder Nordsee unterwegs war, hat schon Respekt vor der 2700 Seemeilen-Reise. Hier hilft die ARC mit seitenlangen Vorgaben vor dem Start, das Schiff auf den großen Schlag vorzubereiten.
Unterwegs folgen Security Checks per Video-Call und eine obligatorische Begehung vor Ort in der Marina. Last minute bekommen wir noch Aufgaben: Wir müssen unseren Rettungsring mit einem Kenterlicht versehen. Und einen laminierten Plan der Asja mit all unseren Feuerlöschern und Löschdecken aufhängen. Jeder Task hat eine Deadline. Es ist lästig, aber danach fühlt man sich optimal gerüstet.
Gemeinsam stärker: Die Teilnehmer tauschen sich untereinander und mit der Rallye-Leitung über Mail und diverse WhatsApp Gruppen aus - und zwar grenzwertig rege. Manchmal schaue ich auf mein Handy und finde 50 neue Nachrichten vor. Im Chat diskutieren die Teilnehmer ihr Equipment. Suchen nach einem Hundesitter. Oder sie fragen, ob jemand noch Crew einfliegen lässt, die Ersatzteile mitbringen kann.
Hoffentlich wird keiner von uns auf dem Atlantik Hilfe brauchen, aber in diesem Setup könnte es leichter sein. Gut möglich, dass die Rallye auch nur das Gefühl von mehr Sicherheit vermittelt, aber es macht einen Unterschied.
Gleichgesinnte finden: Eine lange Auszeit ist in unserem Umfeld in Deutschland sehr unüblich. In Frankfurt kannten wir jedenfalls niemanden mit solchen Plänen. In der Marina von Las Palmas haben auf einmal alle ähnliche Ziele und Träume.
Wer mit Kindern segelt, lernt durch die ARC jede Menge andere Familien kennen. Als wir am 1. November in Las Palmas einfahren, gehören wir zu den letzten ARC Plus-Teilnehmern, die ankommen. Der ganze S-Steg ist von Familienbooten belegt. Viele sind noch Halloween-mäßig mit Kürbissen und Gespenstern dekoriert, es gab einen Umzug. Bei unserer Ankunft hilft uns Kevin vom Familien-Schiff Chillalot in unsere enge Lücke.
In Las Palmas liegen wir zwischen einem norwegischen Monohull mit einem Teenager an Bord und einem kanadischen Kat mit 5-jährigen Zwillingen. Die Stimmung ist offen, unsere neuen Nachbarn sind hilfsbereit, so wie wir es aus Frankfurt kennen. Wäsche flattert über den Tauen. Der HyperDino Supermarkt liefert reihum zentnerweise Proviant direkt aufs Schiff. Der Bootskater der SV Myrto besucht die Nachbarn auf der SV Yggdrasil. Kinder purzeln über den Steg. Die Erwachsenen machen Smalltalk am Seezaun. In diesem Umfeld muss man sich in seiner Kabine vergraben, um keine Kontakte zu knüpfen.
Fünf Tage vor dem Start steigt die Spannung langsam an. Alle haben ein gemeinsames Thema: „Was ist bei euch noch alles kaputt?“ Hier leckt der Motor, dort zickt der Furler, bei uns sind die Bäder nass. Keiner ist startklar… was uns nicht davon abhält, in die Workshops zu gehen und auf die Parties, die zum Programm mit dazu gehören.
Nach einem Glas Weißwein, mit einem Patatas Bravos Spieß in der Hand, hat man das Gefühl, dass alle im selben Boot sitzen - ungeachtet davon, ob sie in einer klassischen Hallberg Rassy fahren, in einem Alu-Schiff oder einem schicken Hochsee-Apartment von Outremer.
Was der Gemeinschafts-Faktor letztendlich wert ist, kann ich schwer beziffern. Noch nicht. Freundschaften brauchen ihre Zeit. Und man lernt auch ohne die ARC nette Menschen beim Segeln kennen. Nur nicht so viele, und ganz klar nicht so viele Familien.
Zum Start der ARC Plus Rallye am 10. November weht wieder Marschmusik über die Mole von Las Palmas. Der Himmel ist so blau, als hätte jemand die Sättigung aufgedreht. Crews in Shirts mit Bootsnamen auf der Brust ziehen ihre Dingis hoch, klappen die Badeplattformen ein. Der ganze Steg vibriert vor Aufregung und Vorfreude. Unglaublich, nach all der Zeit endlich zu starten.
Und dann geht es wirklich los. In einer Riesen-Prozession schiebt sich eine Yacht nach der anderen von ihrem Liegeplatz in Richtung Hafen-Ausfahrt. Von sämtliche Stegen aus, im Schritttempo, die Zeitfenster zum Auslaufen und Starten sind vorgeschrieben. Über uns auf der Mole tobt eine Party. Leider finde ich meine Eltern nicht in den Menschenmassen, aber die ARC-Mitarbeiter in ihren gelben Shirts brüllen „have a nice trip“ zu uns rüber.
Noch müssen alle auf ihr Zeitfenster warten. Was bedeutet: mit 94 anderen Rallye-Schiffen im abgesteckten Areal vor dem Vorhafen hin- und her zu dümpeln. Auf dem Plotter stapeln sich die Symbole der Yachten zu einem psychedelischen Chaos.
„Zieh die Segel hoch“, sagt Alex, der einzige unter uns mit Regatta-Erfahrung. Viel Wind weht nicht - gerade mal eine schwache Brise aus Südost. Wären wir ohne die ARC heute in Richtung Kapverden gestartet? Eher nicht.
Per Lautsprecher hallt der Countdown für die Kats zu uns rüber. Eine Viertelstunde später dürfen die Monohulls los, jetzt natürlich alle unter Segeln. Wir erleben ein paar Fast-Kollisionen. Und nach so viel Socializing freue ich mich auf etwas Einsamkeit mit unserer Crew. Der Atlantik wartet auf uns. Unser erstes großes Crossing.
Marina Las Palmas de Gran Canaria
Riesige Marina nahe am Stadtzentrum von Las Palmas
Gute Infrastruktur mit Trockendock, Shipchandler und Segelstores
Restaurants, Fitness Clubs und Strand in der Nähe
Sehr günstige Preise
HiperDino, El Corte Ingles und andere Supermärkte liefern direkt an den Steg
Duschen sind einfach, entweder zu heiß oder zu kalt. Bei den Toiletten fehlt ständig Papier
Unfreundliche Hafenmeister